1963: Tom Robbins

Für die einen ist er ein Niemand, für seine Fans ist Tom Robbins „der beste Schriftsteller der Welt“ (Thomas Pynchon). Sein Roman „Even Cowgirls Get the Blues“ wurde mit Uma Thurman und Keanu Reeves verfilmt.* Mit 31 Jahren unternahm der Kolumnist der Seattle Times einen betreuten LSD-Trip, mit einer beachtlichen Tagesdosis von 300 Mikrogramm.

Tom Robbins kam 1932 in einer strenggläubigen Baptistenfamilie in den Bergen Nordkarolinas zur Welt. Durch das LIFE Magazin erfuhr er von merkwürdigen Pilzen, die Visionen auslösten. Als er mit Mykologen der Universität Kontakt aufnahm, geriet er stattdessen an Lysergsäurediethylamid-25, welches damals noch legal verfügbar war.

Um 9 Uhr an einem Dienstag im Juli 1963 warf sich Tom Robbins allsodann unter kompetenter Beobachtung drei Kapseln á 100 Mikrogramm pharmazeutisch reines LSD ein. „Es war der lohnendste Tag meines Lebens, der einzige, den ich gegen keinen anderen eintauschen würde“, urteilte er als Achtzigjähriger rückblickend in seiner Autobiografie „Tibetischer Pfirsichstrudel“ (S. 261–277). Und weiter:

„Die psychedelische Erfahrung sträubt sich so hartnäckig gegen gewöhnliche verbale Beschreibungen, dass sich nicht einmal ein professioneller Schriftsteller darüber äußern kann, ohne seine Beobachtungen in eine purpurne Wolke von Geschwafel zu hüllen.“

Aber dann versucht er es doch. Nach ungefähr 40 Minuten des Wartens in einem Ledersessel schwappte die Welle über ihn und er erkannte in der Maserung der Holzvertäfelung „eine Prozession von winzigen Mayas und Azteken“. Dabei blieb es nicht. Robbins Bewusstsein stürzte zu den sichtbaren Schallwellen einer Jazzplatte in die Blüte einer auf dem Tisch befindlichen Margarite. Ihm ging mit einem Mal auf, dass jeder Moment unwiederbringlich und jede Margarite dieser Welt ein einzigartiges Geschöpf ist. Die Botschaften der Mystiker und Zen-Buddhisten ergaben plötzlich einen Sinn.

Im Endeffekt habe ihn das LSD „von einem lebenslangen Gefühl der Angst erlöst“, denn „unter dem Einfluss des LSD verlor ich an diesem sonnigen Tag im Juli endlich meine entsetzliche Angst vor der Ewigkeit … Auf Acid erkannte ich, dass Jetzt und Ewigkeit ein und dasselbe sind, egal, ob es so etwas wie den Himmel tatsächlich gibt oder nicht.“

Darüber hinaus hat der Bestsellerautor auch für den Leser eine Erkenntnis parat. Die körpereigene DNS sei stockkonservativ und lasse einen Ausbruch der konditionierten Psyche aus dem Kopfgefängnis aus reinem Eigennutz nicht zu. Horrortrips und 3D-Visuals seien in Wirklichkeit nur vorgeschaltete und selbsterzeugte „Ablenkungsmanöver“, um eine Erleuchtung zu verhindern. Es ist wie in Platons Höhlengleichnis, wo die Mitgefangenen jeden Erleuchteten, der sie in die Freiheit und ins Licht führen möchte, mit dem Tode bedrohen.

Nach all den euphorischen Worten darf eine Warnung hier nicht fehlen. Nur wenige Monate nach der LSD-Erfahrung gab Robbins seinen gutbezahlten Job als Kunstkritiker bei der Seattle Times auf, trennte sich von seiner ständig alkoholisierten Frau und zog nach New York, wo er Kontakt zu Allen Ginsberg und Timothy Leary aufnahm. Darf eine bürgerliche Gesellschaft so etwas wirklich gutheißen?

Der Autor selbst weist nach fünfzig weiteren Seiten (S. 334) darauf hin, dass er im Schreibprozess stets nüchtern ist und weder illegale Drogen noch Kaffee, Cola oder Zigaretten konsumiert. Beim Schreiben vertraue er allein auf die „Kraft der Fantasie“, die man nicht „mit der Wirkung von Drogen verwechseln“ dürfe.

Mit den Zauberpilzen kam er dann zehn Jahre später doch noch in Berührung: „Kurz nach meinem 40. Geburtstag warfen drei Freunde und ich eine beachtliche Dosis des so genannten magischen Pilzes ein.“ Die Freunde verfallen in kosmisches Gelächter: „Aus der Perspektive, die uns die psychoaktiven Alkaloide des Psylocibins verschafften, war die Existenz an sich dermaßen lustig, dass es an ein Wunder grenzte, wenn irgendwer sie auch nur für eine halbe Minute ernst nehmen konnte. In unserem veränderten Bewusstseinszustand waren wir offenbar rein zufällig völlig im Einklang mit jenen asiatischen Protagonisten der verrückten Weisheit, die das Leben als einen schönen niemals endenden Witz definierten.“

(*) sowie in Cameoauftritten Ken Kesey und William S. Burroughs
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Quelle
Tom Robbins: Tibetischer Pfirsichstrudel: Die wahre Geschichte eines fantastischen Lebens, Reinbek 2017.

Veröffentlicht von

andileser

Ich bin außer mir.