Herbie Hancock

Mit seinen Kompositionen „Watermelon Man“ und „Maiden Voyage“ schuf Herbie Hancock in den Sixties unsterbliche Jazz-Standards. Seine Single „Rockit“, die in Zusammenarbeit mit Bill Laswell entstand, machte in den Achtzigern das Scratchen weltweit bekannt. In den Neunzigern entwickelte sich „Cantaloop“, eine Neuaufnahme seines Drei-Akkorde-Stücks „Cantaloupe Island“, zum Höhepunkt der Acid-Jazz-Welle. Bei zwei Gelegenheiten probierte Herbie Hancock auch selbst Acid, was ihm half, „meine Emotionen zu kontrollieren.“

Hancock veröffentlichte 1964 auf dem Jazzlabel Blue Note Records das Album „Empyrean Isles“. Neben dem allseits bekannten „Cantaloupe Island“ enthält die Platte auch ein Stück mit dem verdächtigen Titel „Oliloqui Valley“. Ololiuqui ist eine Droge aus Windensamen, die dem LSD ähnliche Wirkstoffe, wie LSA und LSH, enthält. Diese Wirkstoffe sind kein Bestandteil der Samen, denn sie entstehen erst durch endophytische Pilze an der Oberfläche.

Sein Kollege und Mentor Donald Byrd machte ihn mit Marihuana bekannt, doch die Droge behagte ihm nicht: „Ich bin eher ein High-Energy-Mensch, womit sich Marihuana für mich erledigte.“

Seine erste LSD-Erfahrung machte Herbert Jeffrey Hancock jedoch erst 1965. In seiner Autobiografie „Possibilities – Möglichkeiten“ äußerte er sich ausführlicher. Der Jazzer hatte einen Schweden namens Björn kennengelernt, der wiederum mit Timothy Leary befreundet war. Björn beschwatzte nun den Pianisten, er solle doch Acid probieren, um damit seine Kreativität zu steigern. Eine Zeitlang wimmelte Hancock ihn ab, doch dann wollte er die sich ihm bietende Gelegenheit nicht verstreichen lassen. Gemeinsam stellten sie eine Plattenkollektion zusammen und machten es sich im Wohnzimmer gemütlich. Björn fungierte als Tripsitter und Herbie trank den gepitchten O-Saft.

„Bald fingen die Wände an zu wabern und Kreaturen erschienen an der Decke. Einige sahen aus wie menschliche Wesen, aber dann veränderten sie sich und wurden bunt und fremdartig, so dass ich nicht mehr wusste, was sie waren. Die Wohnung verwandelte sich in einen Zug und die Zimmer entlang des Flurs wurden zu Abteilen. Aber als ich durch den Flur ging, mutierte er zum Dschungel. Ich bahnte mir einen Weg durch das Unterholz und dachte bei mir, wow, wie kommt all das in meine Wohnung?“

Der kreative Geistesblitz blieb jedoch aus und die Klaviertasten wölbten sich unspielbar.

Eigentlich hatte Hancock nach diesem wirren 10-Stunden-Trip kein wirkliches Interesse mehr an der Substanz. Als ihn Björn jedoch sechs Monate später zu Timothy Leary nach Millbrook, New York, einlud, dachte Hancock: „Warum nicht direkt aus der Quelle schöpfen?“

Auf dem Anwesen machte er auch tatsächlich die flüchtige Bekanntschaft mit Leary. An der Seite von drei weiteren Musikern startete er seine Innenreise. Dieses Mal drohte ein bad trip, denn die Armbehaarung verwandelte sich in kleine krabbelnde Wanzen, was ihm nicht behagte. Doch statt sich der Angst auszuliefern, reflektierte der 25-jährige.

Da er wusste, dass es keine realen Insekten waren, überlegte er, warum er diese dennoch sah. Dabei fiel ihm seine übersteigerte Angst vor Bienen ein, und er bat seinen Tripsitter Björn, ihn in die Nähe von Bienen zu bringen. Psychologen nennen das Konfrontationstherapie, allerdings war Hancock von selbst darauf gekommen. In seinem erweiterten Bewusstseinszustand stellte er eine Verbindung zu den Insekten her, und er erkannte: „Sie sind Geschöpfe dieser Erde, gehören genau wie ich zum Reich der Lebewesen. Sie sind meine Brüder!“

Von diesem Tag an fürchtete sich Herbie Hancock nicht mehr vor Bienen. Wie viele andere LSD-Astronauten wurde er praktizierender Buddhist. Hancock (78) ist heute neben Quincy Jones (89) und Lou Donaldson (92) der lebende Beweis, dass Jazzmusiker auch alt werden können. Seit 1968 ist er übrigens mit einer Ostdeutschen verheiratet.

Quelle
Herbie Hancock: Possibilities – Möglichkeiten, Viking 2014/Hannibal 2018.

Veröffentlicht von

andileser

Ich bin außer mir.