Al Hubbard

Al Hubbard war der echte Captain Trips. Hubbard machte zwischen 1955 und 1965 vermutlich mehr Wissenschaftler, Künstler und Ingenieure mit LSD bekannt, als jede andere Einzelperson. Von insgesamt 6000 Probanden ist die Rede. Als überzeugter Katholik und Konservativer mit Bürstenhaarschnitt lehnte er allerdings den Lebensstil der Hippies ab.

In den USA gibt es die Legende von Johnny Appleseed, einem jungen Mann, der aus Trauer über den Tod seiner Verlobten durch den Mittleren Westen wanderte und unzählige Apfelkerne in die Erde steckte. Aus den Zufallssämlingen erwuchsen prächtige Apfelbäume, aus deren Früchten wiederum die ersten Siedler Most und Apfelwein kelterten. Die Saat war aufgegangen.

Alfred Matthew Hubbard (24. Juli 1901 in Kentucky; 31. August 1982) wird gern als „Johnny Appleseed des LSD“ bezeichnet. John Markoff nannte ihn „without question one of the most curious characters in America during the 1950s and 1960s“. Für Wayne Glausser war Hubbard sowohl ein Enthusiast der Bewusstseinserweiterung, als auch ein verdeckter CIA-Agent.

In der Tat war Al Hubbard eine zwielichtige, aber auch erfindungsreiche Persönlichkeit. In den Fünfzigerjahren war er Präsident der Uranium Corporation of Vancouver und besaß als solcher die Staatsbürgerschaften der USA und Kanadas. In diesem Zeitraum las der gläubige Katholik einen wissenschaftlichen Aufsatz über das damals noch legale LSD-25.

Nach einem positiv verlaufenen Selbstversuch 1951 gab er sogleich bei der schweizerischen Sandoz eine Großbestellung auf. Mit diesem privaten Vorrat wollte er nun Kreativität und Selbsterkenntnis in vorrangig elitären Kreise triggern und die Gesellschaft von oben nach unten „heilen“. Die Vorstände der größten Unternehmen der Erde sollten LSD am eigenen Bewusstsein erfahren. Hubbard meinte: „Die meisten Menschen schlafwandeln durchs Leben. Man kann sie umdrehen und in die umgekehrte Richtung schicken – sie werden nicht einmal den Unterschied bemerken.“ Dem LSD traute er zu, die Menschheit wachzurütteln.

„A lot of people don’t realize what’s really going on. They view life as a bunch of unconnected incidents and things.“
– Alex Cox: Repo Man

Mitte Dezember 1955 arrangierte Al Hubbard den ersten LSD-Trip für die Schriftsteller Aldous Huxley und Gerald Heard mit einer Einstiegsdosis von 75 Mikrogramm. Die beiden hatten bereits Erfahrungen mit der Kaktusdroge Meskalin. Im selben Jahr gründete Hubbard die Commission for the Study of Creative Imagination und holte Huxley, Heard sowie die Psychologen Humphry Osmond, Abram Hoffer und Sidney Cohen in den Vorstand.

In seinen Sessions nahm er intuitiv das Konzept von Set und Setting vorweg („Hubbard-Room“). Statt klinisch weißer Wände und steriler Umgebung setzte Hubbard auf Teppiche, Bilder und Musik, um den Trip in eine angenehme Richtung zu lenken. Der Proband sollte sich wohl fühlen, um das beste aus seiner Reise herauszuholen.

Gerald Heard schwärmte so sehr von seinem LSD-Erlebnis, dass er Myron Stolaroff, den leitenden Angestellten beim kalifornischen Elektronikkonzern Ampex, dazu animierte, im März 1956 ebenfalls LSD auszuprobieren. Stolaroff wiederum war von seiner LSD-Erfahrung so begeistert, dass er im Anschluss via Sequoia Seminar (eine Art informelle Denkfabrik) weitere Ingenieure von Ampex, Hewlett-Packard, Stanford Research Institute (SRI) sowie von US Venture Partners und Sun Microsystems mit dem Psychedelikum bekannt machte. Auch durch Stolaroffs “International Foundation for Advanced Study“ hielt das LSD weiter Einzug in die Tech-Branche des gerade entstehenden Silicon Valleys.

Im Gegensatz zu Timothy Leary und anderen LSD-Evangelisten jener Ära hat Al Hubbard bis auf einen umfassenden Briefwechsel keine wissenschaftlichen Aufsätze hinterlassen, was manche als Kennzeichen seiner Tätigkeit für die CIA oder deren Projekt MK-Ultra deuten. Al Hubbard geriet nach seinem Tod schnell in Vergessenheit. Auch heute existiert von ihm nur ein rudimentärer Eintrag in der englischsprachigen Wikipedia.

Quellen
– Aldous Huxley: Moksha. Auf der Suche nach der Wunderdroge, München 1983.
– Martin A. Lee; Bruce Shlain: Acid Dreams. The Complete Social History of LSD, 1986.
– Jay Stevens: Storming Heaven, LSD and the American Dream, 1989.
– John Markoff: What The Dormouse Said. How the Sixties Counterculture Shaped the Personal Computer Industry, London 2006.
– Wayne Glausser: LSD-Kulturgeschichte von A bis Z, Soloturn 2018.
– Michael Pollan: Verändere dein Bewusstsein, Kunstmann Verlag 2019, S. 180-200.

Veröffentlicht von

andileser

Ich bin außer mir.